Im Gespräch IoT4 Industry & Business

Virtual Reality & Gedächtnis-Hacking | Los geht’s!

zur Übersicht
Die Gedächtnis-Hackerin Dr. Julia Shaw

Die neue CEBIT – von vielen mit Spannung erwartet geht es heute los. Dieser erste CEBIT-Tag steht aber ganz im Zeichen von Konferenzen. Die Ausstellung ist noch nicht öffnet. Der „Take-off Monday“ verspricht ein abwechslungsreiches Programm mit Top-Sprechern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik.

Die Eröffnungs-Keynote „Dawn of the New Everything“ von Jaron Lanier bringt es auf den Punkt: Alles wird neu. Er lädt ein, auf eine Reise in die Virtual Reality.

Das gesamte CEBIT Konferenzprogramm finden Sie hier

Am Mittwoch spricht die Erinnerungsforscherin und Rechtspsychologin Dr. Julia Shaw auf der kommenden CEBIT über ihre bahnbrechende Forschung an der Schnittstelle von Gedächtnis und künstlicher Intelligenz. Kann Künstliche Intelligenz dabei helfen, uns besser an unser Leben zu erinnern?

Live erleben können Sie Julia Shaw am Mittwoch, 13. Juni auf dem CEBIT Artificial Intelligence Summit auf der Grand Central Stage in Halle 27. Vorab machte die „Memory-Hackerin“ in einem Interview schon neugierig.

Was brauchen Sie, um ein Gedächtnis zu hacken? Und wie schnell geht das?

Dr. Julia Shaw: Es ist überraschend einfach, Erinnerungen zu manipulieren und jemandem einzureden, dass er oder sie etwas gesehen oder getan hat, was tatsächlich nie stattgefunden hat. Alles, was man dazu braucht, ist das Vertrauen der betreffenden Person, Falschinformationen (die einen frei erfundenen Verlauf vergangener Ereignisse nahelegen) und die Vorstellungskraft des Betreffenden. Weil unser Gehirn so flexibel und kreativ ist, kann es sich plausible Geschichten aus nur einigen wenigen Informationen zusammenstricken und sich einreden, dass es sich um so Erlebtes handelt.

Was sind die größten Gefahren einer solchen Gedächtnisintervention?

Shaw: Wir müssen wachsam sein und aufpassen, dass Dritte – seien es Nachrichtenquellen, Autoritätspersonen oder vertraute Menschen wie Familienangehörige und Freunde – nicht unsere Erinnerungen manipulieren, ob absichtlich oder unabsichtlich. Andere Menschen können unsere Wahrnehmung der Realität dramatisch verändern. Das kann sich auf unser Selbstbild, unsere Konsumgewohnheiten und sogar unser Wahlverhalten auswirken.

Was sind die Vorteile beim Gedächtnis hacken?

Shaw: Die Vorstellung, dass Menschen wichtige Entscheidungen auf eine Vergangenheit stützen könnten, die so nie stattgefunden hat, ist erschreckend. Falsche Erinnerungen – das hört sich zunächst mal wie ein Makel an, ein Fehler des Gehirns. Aber das ist nicht so. Falsche Erinnerungen sind ein wunderbares Nebenprodukt derselben Systeme, die auch für Kreativität und Intelligenz zuständig sind und die es uns ermöglichen, Probleme zu lösen. Unser Gehirn ist nicht dafür gemacht, sich die Vergangenheit völlig detailgetreu in Erinnerung zu rufen. Unser Gehirn ist für etwas sehr viel Großartigeres konzipiert, nämlich für Abstraktion und flexibles Denken. Falsche Erinnerungen sind bloß das Ergebnis dieser erstaunlichen Flexibilität unseres Gehirns.

Kann künstliche Intelligenz das menschliche Erinnerungsvermögen in nicht allzu ferner Zukunft erweitern oder sogar völlig ersetzen?

Shaw: Ja, ich denke, dass AI bestimmte Aspekte des menschlichen Erinnerungsvermögens erweitern und ersetzen kann. Bei Erlebnissen, die später bedeutsam werden könnten – wenn man beispielsweise Zeuge einer Straftat wird oder andere äußerst belastende Lebenserfahrungen durchmacht –, sollte man davon unbedingt Aufzeichnungen erstellen. Das ist die beste Verteidigung gegen Memory-Hacking. Der Mensch neigt dazu, sein Gedächtnis zu überschätzen. Hier kann es hilfreich sein, seine Eindrücke aufzuzeichnen, wenn sie noch frisch in Erinnerung sind.

Womit beschäftigt sich Ihre Forschung?

Shaw: Ich beschäftige mich im Rahmen meiner jüngsten Forschung damit, mithilfe von AI skalierbare praktische Memory Tools zu schaffen, die wichtige Lebensereignisse aufzeichnen können. Meine erste Anwendung, SPOT, soll Menschen helfen, sich Einzelheiten zu Schikanierung und Diskriminierung am Arbeitsplatz ins Gedächtnis zu rufen. Mein Ziel ist eine Zukunft, in der wir Gedächtnislehre und AI verknüpfen, um ein besseres Arbeitsumfeld zu schaffen. Hier wird meiner Meinung nach die nächste kognitive Revolution stattfinden. Wenn wir uns der Grenzen unseres Gehirns bewusst sind und die entsprechenden Prozesse durch Technologie ersetzen können, dann haben wir einen entscheidenden Schritt nach vorne getan.


Quelle: CEBIT

Verwandte Artikel