Im Gespräch IoT4 Industry & Business

Mehr Gestaltungsmöglichkeiten im Industrial IoT

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Stefan Bina Product Manager Industrial IoT Network Solutions bei B&R

IoT4 Industry & Business: Herr Bina, Sie sagen, die Grenzen zwischen IT und OT seien derzeit noch eine Hürde und müssen auf kurz oder lang verschwinden. Wie soll das Ihrer Ansicht nach funktionieren?

Stefan Bina: Maschinenbauer sind darauf angewiesen, dass ihre Experten aus IT und OT zusammenarbeiten. Nur wenn beide Bereiche optimal eingebunden sind, lassen sich die Möglichkeiten des Industrial IoT voll ausschöpfen und vernetzte Maschinen entwickeln. Deshalb ist es notwendig, eine Lösung zu finden, die beide Welten vereint und darüber hinaus auch die Inbetriebnahme der Maschinen sowie die Wartung und Instandhaltung vereinfacht.

Das bedeutet?

Bina: Mit der stetigen Zunahme der Rechenleistung industrieller Steuerungen, der Umstellung auf PC- oder ARM-Plattformen und der vierten industriellen Revolution steigt auch die Bedeutung von Linux in der Automatisierungstechnik. Viele der Aufgaben eines Automatisierungssystems können bereits jetzt auf einem Linux-basierten System bewerkstelligt werden. Das Linux-Software-Ökosystem bietet eine Vielzahl an frei verfügbaren oder proprietären Softwarepaketen, wie Pfadplanungsbibliotheken für Robotersysteme, Machine Learning-Algorithmen zur Maschinenoptimierung oder übersichtliche Liniensteuerung mittels grafischer Programmierung im Baukastenprinzip.

Jetzt käme exOS von B&R ins Spiel. Was genau kann es?

Bina: exOS öffnet nun Maschinenbauern die Tür zu diesen Softwarepaketen. Konkret verbindet unsere Crossover-Lösung die zyklusbasierte Steuerungswelt mit der Event-basierten Linux-Welt über eine robuste Programmierschnittstelle. Diese Schnittstelle ermöglicht das Deployment, den schnellen Datenaustausch, die Zeitsynchronisierung und die Diagnose bei maximaler Flexibilität im Hardwaresetup. exOS wird als Technologiepaket zur Verfügung gestellt und lässt sich einfach direkt über die B&R-Automatisierungssoftware Automation Studio installieren. Maschinenbauer können mit exOS das Know-how ihrer Entwickler und Ingenieure aus IT und OT voll ausschöpfen und hybride und adaptive Maschinenkonzepte mit einer kurzen Time-to-Market umsetzen.

Wie leicht ist die exOS-Lösung anzuwenden?

Bina: Mit exOS kann nun jede beliebige Linux-Anwendung im B&R-System verwendet werden. Jeder Linux-Softwareentwickler kann frei wählen in welcher Programmierumgebung er den Programmcode entwickeln möchte und mit exOS anschließend die Linux-Anwendung ganz einfach in das Steuerungssystem integrieren. Ab diesem Zeitpunkt gibt es nur mehr ein einziges Engineering-Tool, nämlich Automation Studio.

Ein klarer Vorteil?

Bina: Ja, denn das vereinfacht nicht nur Softwaremanagement und -diagnose, sondern auch die Wartung. Servicetechniker müssen zum Beispiel bei einem Maschinenstillstand schnellstmöglich identifizieren, wo das Problem liegt und Rücksprache mit dem Maschinenbauer halten können. Mit exOS werden sämtliche Fehlermeldungen der Linux-Anwendung durchgängig aufgezeichnet und sind jederzeit abrufbar. Auch ein Hardwaretausch oder Maschinenupdates können schnell und einfach vorgenommen werden. Stillstandzeiten von Maschinen und Anlagen verringern sich dadurch deutlich. Somit können der Linux-Softwareentwickler, der Steuerungsprogrammierer und die Ingenieure, die die Maschine in Betrieb nehmen oder sie warten, in ihrer gewohnten Umgebung arbeiten. Das bietet einen größtmöglichen Grad an Gestaltungsfreiheit. Zudem verringert sich die Einarbeitungszeit der jeweiligen Mitarbeiter sehr deutlich oder entfällt komplett.

Der Weg zur smarten Fabrik nimmt auch mit den angebotenen Lösungen immer mehr Gestalt an. Wie weit sehen Sie bereits die Unternehmen in ihren Umsetzungen und war das erste Pandemie-Ausnahmejahr ein digitaler Förderer, auch was die Nachfrage der Lösungen betrifft?

Bina: Die Digitalisierung in den Fabriken ist bereits seit geraumer Zeit in vollem Gang. Nicht zuletzt ist die in den vergangenen Jahren deutlich gestiegene Nachfrage nach individualisierten Produkten ein wesentlicher Treiber. Die Pandemie hat diesen Trend sicherlich noch einmal verstärkt und gezeigt, dass Konsumenten Ware per Mausklick bestellen und möglichst schnell erhalten möchten. Deshalb müssen Maschinen in smarten Fabriken vor allem adaptiv sein und innerhalb kürzester Zeit unterschiedliche Güter produzieren. Hier stoßen noch viele Unternehmen an ihre Grenzen, denn mit einem herkömmlichen Ansatz und den bekannten Konzepten, lassen sich die neuen Anforderungen hinsichtlich Adaptivität nicht mehr erfüllen. Die Unternehmen benötigen neue und flexible Produktionskonzepte sowie eine standardisierte und IT-/OT-konvergente Kommunikation zwischen den Maschinen und nicht zuletzt möglichst viel Freiheit in der Maschinenprogrammierung. Diese Freiheit erhalten sie, wenn höhere Programmiersprachen wie C++, Python und JavaScript eingesetzt werden können – und genau an diesem Punkt kommt exOS und der damit verbundene Zugang zum weltweit größten Software-Ökosystem ins Spiel.

Weiter zum Thema in unserer aktuellen Ausgabe von „IoT4 Industry & Business“:
„Das weltweit größte Software-Ökosystem“ ab Seite 34.

Wie finden IT und OT zusammen? Vor dieser Frage stehen alle Unternehmen, die Industrie 4.0 umsetzen wollen. Bisher gab es darauf keine wirkliche Antwort.

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